Irrtum und Anfechtung im Onlinehandel (hier: zu niedriges eBay Gebot)
Die Situation ist wie folgt. Man bietet unter eBay eine Ware zu einem attraktiv geringen Startpreise an und hofft im Verlauf der Auktion ein möglichst hohes Gebot zu erlangen. Nach Auktionsende ist man mit dem viel zu niedrig empfundenen Höchstgebot nicht einverstanden – und nun? Gibt es Möglichkeiten, sich diesem Geschäft zu entziehen und die Auktion rückwirkend zunichte zu machen?
Rücktritt von eBay Auktionen?
Die Problematik soll anhand entschiedener Fälle näher betrachtet werden. Weitere und ergänzende Hinweise finden Sie in dem von uns betreuten eBay-Leitfaden.
Im sogenannten Rübenroderfall (siehe Internethandel-Blog) bot der Verkäufer per Internetauktion eine wertvolle landwirtschaftliche Maschine zur Ernte von Zuckerrüben zu einem offensichtlich völlig unrealistischen Startpreis von 1 EUR an. Seine Sofortkauf-Option lautete dagegen auf 60.000 EUR für die Ware. Nach Auktionsende lautete das Höchstgebot auf 51,00 EUR und der Höchstbietende verlangte nun Herausgabe des landwirtschaftlichen Maschine zu diesem Preis. Der Verkäufer hatte die Maschine aber zwischenzeitlich anderweitig verkauft, konnte daher nicht liefern und wurde daher auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung verklagt. Das OLG verurteilte ihn, so dass der Verkäufer dem Höchstbietenden die Differenz zwischen dem Wert der Maschine – hierbei legte das OLG Köln den Sofortkauf Preis des Verkäufers zugrunde – und dem Kaufpreis, den der Kläger gezahlt hätte, um die Maschine zu erhalten, 59.949 EUR, zahlen mußte (OLG Köln Urteil vom 08.12.2006 AZ: 19 U 109/06).
In dem zweiten Fall bot ein Verkäufer ebenfalls über eBay einen PKW, Bugway Buggy, mit einem Startwert 1.000 Pfund an. Auf seiner Firmenhomepage war derselbe Wagen mit einem Verkaufswert von 15.000 EUR angegeben. Der Höchstbietende und spätere Kläger hatte ein Höchstgebot von 1.751 Pfund abgegeben und verlangte dafür die Herausgabe des Wagens. Das zuständige Gericht gab der Klage jedoch nicht statt, weil der Verkäufer sich auf einen Tippfehler – er habe 10.000 Pfund fordern wollen – berufen und seine Erklärung angefochten hatte. Dies glaubte ihm das Gericht unter Berufung auf die Angaben auf seiner Firmenhomepage. Damit wurde der ursprünglich zustande gekommene Kaufvertrag beseitigt und der Verkäufer kam von seiner Lieferverpflichtung frei (OLG Oldenburg Urteil vom 27.09.2006 AZ: 4 U 25/06).
Wieso kommen die Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen?
Die Ausgangssituationen werten beide Gerichte gleich. Mit dem Auktionsende sei zwischen dem Verkäufer und dem Höchstbietenden ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.
Über diese Form des Zustandekommen von Verträgen bei Onlineauktionen soll an dieser Stelle nicht gesprochen werden. Grundlegend ist hier der vom BGH (Urteil vom 07.11.2001 AZ: VII ZR 13/01) entschiedene Passat-Fall. Darin wird entschieden, dass ein Vertrag mit der Einstellung der Sache zur Durchführung der Online-Auktion und der Freischaltung des Angebots beim Anbieter auf der einen Seite und der Abgabe des Gebots, mit der Bedingung, dass dies das Höchstgebot ist, zustande komme. Dies ist nach unserer Auffassung keineswegs zwingend und ausnahmslos der Fall.
In beiden Sachverhalten ist also ein bindender Vertrag zustande gekommen. Der Unterschied liegt in der jeweiligen Wertung des weiteren Sachverhalts durch die Gerichte.
Im Rübenroder-Fall trägt das Gericht vor, dass der Verkäufer bei eBay für sein Gebot selbst verantwortlich sei. Er könne sich also weder auf seine Unerfahrenheit, noch auf den hohen Wert der Maschine berufen. Denn gerade bei solchen teuren Geräten sei die Eingabe mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen und zu kontrollieren.
Die Oldenburger Richter sahen in der Anfechtung wegen Erklärungsirrtums hingegen einen relevanten Anfechtungsgrund. Die Argumentation, dass sich der Verkäufer lediglich bei der Eingabe des Angebots vertippt habe, ließ den Senat zu dem Ergebnis kommen, dass keine nachvollziehbaren Gründe vorlägen, weshalb der Verkäufer ein Mindestgebot von lediglich 1.000 Pfund hätte festlegen wollen. Da der PKW auf der Verkaufshomepage des Händlers mit 15.000 EUR ausgezeichnet war, sei es nachzuvollziehen, dass der Verkäufer eigentlich einen Mindestpreis von 10.000 Pfund festlegen wollte. Somit war der Verkäufer nicht zur Herausgabe verpflichtet.
An diesen beiden Fällen ist anschaulich zu beobachten, dass ähnlich gelagerte Fälle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Dies liegt jedoch nicht primär an den Gerichten, sondern an dem vorgelegten Sachverhalten. Denn diese sind an entscheidender Stelle unterschiedlich und es ist dem Ergebenis zu entnehmen, dass geringfügige Informationen, Veränderungen und Unterschiede im Sachverhalt zu vollständig gegensätzlichen Ergebenissen führen können.
Im zweiten Fall hätte das Gericht auch durchaus anders entscheiden können: Mit der Begründung, dass der Verkäufer den PKW zu diesem niedrigen Preis eingestellt habe, könnte dem Verkäufer auch vorgehalten werden, dadurch das Auto durch einen niedrigen Preis interessiert machen zu wollen. Fraglich ist auch, ob erwartet werden kann, dass sich ein Kunde auf der Verkaushomepage des Anbieters darüber informiert, ob das eBay-Mindestgebot ernst gemeint sei.
Grundsätzlich ist eine rückwirkende Anfechtung von eBay-Auktionen durch den Verkäufer möglich. Hierzu muß er allerdings plausible Gründe zur Überzeugung des Gerichts vorbringen können.
Das grundlegende Urteil stammt vom VIII. Zivilsenat – nicht vom VII. (VIII ZR 13/01).
Gruß
Herminghaus, Rechtsreferendar