Ist der Staat etwa schon drin?

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Wie wir jüngst der Presse entnehmen konnten, werden Telefonate via Internet schon seit längerem vom Staat überwacht. Wir berichteten bereits über die geplante Online-Durchsuchung sowie die bereits durchgeführten heimlichen Überwachungsmaßnahmen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Nunmehr ist die Zollfahndung aufgefallen, die mit Hilfe sogenannter Hacker-Software verschlüsselte Internet-Telefonate abhört. Wie in den Fällen der vom Bundesinnenministerium geplanten verdeckten Online-Durchsuchungen, fehlt auch hier eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Die solche Eingriffe eröffnenden Rechtsgrundlagen werden von den Befürwortern im Wege von Gesetzesauslegungen und Analogien herbeiargumentiert.

Bei dieser sogenannten „Quellen-TKÜ“ wird genau wie bei der Online-Durchsuchung eine Hacker-Software eingesetzt, die die Überwachung des Computers ermöglicht. Diese heimlichen Ermittlungsmethoden begegnen zahlreichen rechtlichen Problemen. Neben dem zu überwachenden Verdächtigen werden immer auch andere unbeteiligte bzw. unverdächtige Personen in den Fokus der Ermittlungen rücken und somit von den Überwachungsmaßnahmen in ihren Grundrechten verletzt.

Entgegen der politischen Verlautbarung zu den heimlichen Online-Überwachungsmaßnahmen, wonach ausschließlich schwerste Straftaten mit terroristischem Hintergrund mit diesen neuartigen verdeckten Ermittlungsmethoden verfolgt werden würden, überwacht der Zoll die Internettelefonie nicht zum Abhören von mutmaßlichen Terroristen, sondern es werden Telefongespräche mutmaßlicher Schmuggler, Steuerhinterzieher oder Schwarzarbeiter ausgeforscht. Dies sind offensichtlich keine Verbrechen mit terroristischem Hintergrund, sondern ganz normale Vergehen des Steuerrechts.

Dies erstaunt, angesichts der Reichweite des staatlichen Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Bürger, erst recht vor dem Hintergrund einer fehlenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Mit dem richtungsweisenden Urteil des Bundesverfassungsgericht zum sogenannten „großen Lauschangriff“ aus dem Jahr 2004 ist entschieden worden, dass heimliche Überwachungsmaßnahmen nur bei bestehendem Verdacht auf besonders schwerwiegende Straftaten angeordnet werden dürfen. Es wurde mit diesem Urteil klargestellt, dass in den verfassungsrechtlich geschützten absoluten Kernbereich der Privatssphäre nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, und nur nach einer umfassenden Abwägung der kollidierenden Interessen eingegriffen werden darf.

Spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den heimlichen Online-Durchsuchungen vom 5. Februar diesen Jahres war ersichtlich, dass diese Ermittlungsmaßnahmen nicht mit der Verfassung vereinbar sind. Auch die aufgrund von Verfassungsbeschwerden ergangene erste mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über das NRW-Verfassungsschutzgesetz am 10. Oktober 2007 zeigt eine Tendenz des obersten Gerichtes, auch die Landesregelung für verfassungswidrig zu erklären. Das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgericht wird für Anfang 2008 erwartet.

Wendet man diese Grundsätze der Verfassungshüter auf die beschriebenen jüngsten Maßnahmen der Zollbehörden an, erst recht vor dem Hintergrund der jüngsten Diskussionen rund um die Onlineüberwachung, müssen sich die zuständigen Behördenleiter unangenehme Fragen zu ihrer Einstellung zum Grundgesetz sowie ihrer Verantwortung für ihre Bediensteten stellen lassen.

Die jeweils handelnden Ermittler setzen sich vermutlich erheblichen zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken aus. Sollten Betroffene Anzeige erstatten oder Staatsanwaltschaften von sich aus einen Anfangsverdacht bejahen, müssten sie sich zunächst persönlich gegen solche gegen sie selbst gerichteten Ermittlungen verteidigen.

Ähnlich der Diskussion, denen sich Kampfjetpiloten jüngst stellen mussten, angesichts des Umstandes, dass ihr zuständiger Minister ihnen „befehlen“ lassen will, Passagierflugzeuge, die möglicherweise zu terroristischen Anschlägen missbraucht werden sollen, abzuschießen, müssen nun auch andere öffentliche Bedienstete eigene Verantwortung übernehmen. Der Abschußbefehl wird als unrechtmäßig erachtet, da das Bundesverfassungsgericht eine so lautende gesetzliche Regelung 2006 als verfassungswidrig aufhob. Ein Bundeswehrsoldat muß sich rechtswidrigen Befehlen widersetzen, will er nicht Gefahr laufen, dafür in persönliche Haftung genommen zu werden. Ähnlich ist nach derzeitiger Einschätzung auch die Situation bei den oben genannten Ermittlungsmaßnahmen zu beurteilen.

Ist es verantwortungsvoll, seine Beschäftigten und Beamten in derartige rechtlich zweifelhafte Grauzonen zu führen?

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  1. […] Das Bundesverfassungsgericht hat am 27. Februar 2008 eine Grundsatzentscheidung zu der umstrittenen Online-Durchsuchung getroffen. Wir berichteteten bereits über dieses brisante Thema in unseren Artikeln vom 31.10.2007, 26.10.2007 und 10.10.2007. […]

  2. […] Zungen könnten zudem formulieren, dass nach dem geplanten Bundestrojaner und der Onlineüberwachung durch den Staat, nunmehr eine Überwachungspflicht im […]

  3. […] Für die Datenschützer steht fest, dass sich der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung bei Online-Durchsuchungen durch technische Mittel bei der Datenerhebung nicht schützen lässt. Ein automatisierter Kernbereichsschutz ist somit nicht realisierbar. Wie wir bereits in unseren Beiträgen zu diesem Thema vom 10. Oktober 2007 und 25. April 2007 dargestellt haben, würden wir es befürworten, wenn das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres 2008 ebenfalls ein klares “Nein” zu Online-Durchsuchungen spricht. Welche höchstrichterliche Entscheidung würden Sie gutheißen? Kategorien: Allgemein, Aktuelles, Computerstrafrecht, Datenschutz | | Permalink […]

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