Rufschädigung, Beleidigung und Verleumdung im Internet – 1
Mit Hilfe einer Online Petition fordern Nutzer und Betroffene u.a. von Twitter einen besseren Schutz gegen Beleidgungen und unwahre Tatsachenbehauptungen im Netz. Ein legitimes Anliegen – möchte man meinen. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Regeln dazu geschaffen. Warum – so möchte man fragen – funktionieren diese nicht?
Ist eine solche Forderung an die Portale und Anbieter zu richten?
Die taz berichtet, „Twitter User fordern besseren Schutz“ (vgl. hier / taz) und verweist auf eine Online-Petition (via taz / hier). Im Kern würde dort ein „Mißbrauch melden“ Button gefordert. Denkbar ist es, dies in Anlehnung an die Button-Lösung für bzw. gegen Internet-Abo-Fallen umzusetzen.
Aber sind die Online-Anbieter wie z.B. Twitter oder auch Facebook oder die Meinungsportale oder aber jene Content-Provider, die Meinungen und Kommentare erlauben und verbreiten, tatsächlich die richtigen Ansprechpartner für ein solches Anliegen.
Richtig ist, dass es möglich sein muss, Beleidigungen oder Verleumdungen, effektiv verfolgen zu können. Das scheint in Zeiten des globalen Internets nicht mehr so recht zu gelten. So mag der eine oder andere Betroffen denken, wenn er einschlägige Erfahrungen sammeln musste.
Er kann sich an die Polizei wenden und Strafanzeige erstatten – sofern ausreichend Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben sind. Der Gesetzgeber hat sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht Instrumente geschaffen, die Betroffene schützen helfen sollen.
Aber gerade im Internet kursiert die Auffassung, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit ein höheres Gut sei, und die Betroffenen im Interesse einer solchen uneingeschränkten Meinungs- und Informationsfreiheit die persönlichen Verletzungen hinzunehmen hätten.
So hatte sich ein Onlineredakteur eines Portals, das Meinungen über Ärzte und Kliniken verbreitet, sogar den Anordnungen der Gerichte verweigert, die ihn im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu einer Zeugenaussage veranlassen wollten. Es wurden Ordnungsgelder verhängt – dennoch verweigerte er die Aussage und begründet dies mit der Pressefreiheit bzw. dem Informantenschutz.
Trifft das wirklich auf alle diese Sachverhalte zu?
Wie soll es dann um den Rechtsschutz der Betroffenen bestellt sein, wenn deren Rechte tatsächlich verletzt wurden?
Wer soll darüber befinden – der zuständige Redakteur digitaler Medien, die zumeist auch wirtschaftliche Interesse verfolgen und haben?
Es muss auch berücksichtigt werden, dass Kommentare und Meinungen durchaus geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen, über die abträglich, gar unwahr oder sogar beleidigend berichtet wird, schwer persönlich oder auch wirtschaftlich beeinträchtigen und verletzen können.
Sowohl das Grundgesetz als auch die einschlägigen zivil- und strafrechtlichen Vorschriften sehen hierfür Abwägungen der einander gegenüberstehenden Rechtsgüter vor. Diese Abwägung sollen im Einzelfall Gerichte vornehmen – nicht die Medienvertreter. Dazu ist es aber nötig, dass die Identitäten offengelegt und mitgeteilt werden, so dass der Betroffene überhaupt in der Lage ist, eine gerichtliche Klärung einzuleiten.
Welcher Rechtsgrundsatz soll einem solchen legitimen Anliegen die Grundlage entziehen, indem über die Presse- und Meinungsfreiheit Medienvertreter per se keine Auskunft über die eigentlichen Äußernden vornehmen sollen und müssen. Etwa in der Rolle eines Zeugen im Strafverfahren?
Solange es im Einzelfall zu fehlerhaften Beurteilungen – etwa durch Ermittlungsbehörden oder auch Zivilgerichte – kommt, mag dies noch hingenommen werden können.
Wenn sich jedoch unter dem Deckmantel der Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit im Ergebnis ein rechtsfreier Raum im Internet entwickeln bzw. darstellen liesse, der Betroffenen keine Möglichkeit der Verteidigung ermöglicht, erscheint es weder um jene Pressefreiheit noch um den Rechtsstaat allzu gut bestellt zu sein.
Das Internet und die vermeintliche Pressefreiheit liefen Gefahr, mißbraucht zu werden, und eine dunkle Seite des Prangers entstünde – ein Instrument aus dem Mittelalter.
Das Grundgesetz sagt: Die Freiheit des einzelnen findet seine Grenze in den Rechten der anderen. Das ist sowohl aus Sicht der Betroffenen, als auch aus Sicht der Presse zu lesen. Seriöse Presse hat schon immer Wert darauf gelegt, sich nicht durch Interssen Dritter (oder eigenen erwerbswirtschaftlichen Interessen) manipulieren und instrumentalisieren zu lassen.
All dies muss auch und gerade im Internet mit berücksichtigt werden.
Die eingangs genannte Online-Petition legt nahe, dass es Bedarf auf Seiten der Betroffenen gibt, dem Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit auch ein funktionierendes Kontrollsystem gegenüberzustellen.
Eine Vielzahl von Einzelfällen, in denen Betroffene Rechtsschutz suchen – etwa wenn Sie über sich in Google recherchieren und wenig schöne Bewertungen antreffen (vgl. jüngst Klageverfahren gegen Google vor dem Landgericht Mönchengladbach, via SZ) – zeigen, dass Handlungsbedarf besteht.
Der geforderte „Mißbrauch-Melde-Button“ stellt eine Möglichkeit dar. Damit würde allerdings allein an das Verantwortungsgefühl der betroffenen Portale und Meinungsverbreiter appeliert und womöglich die auch bestehenden wirtschaftlichen Interessen gerade jener Portale außer Acht gelassen.
Womöglich muss auch der Gesetzgeber über einige Klarstellungen in Bezug auf Auskunftsrechte (der Betroffenen), verbunden mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes sowie – bei strafrechtlicher Relevanz – auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden nachjustieren.
Die grundsätzlichen Regelungen bestehen seit Jahren – etwa im Strafgesetzbuch §§ 185-200 StGB oder im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 BGB. Ihre Anwendung im Internetzeitalter scheint allerdings neue Klarstellungen erforderlich zu machen, damit beiden Rechtsgütern ausreichend Rechnung getragen werden kann:
- dem Schutz der Presse und Meinungen und damit der Informationsfreiheit
- dem Schutz der betroffenen Personen und Unternehmen vor unwahrer oder ehrverletzender Berichterstattung.
Rechtslos – das ist die gute Nachricht – stehen die Betroffenen auch derzeit nicht da. Sie müssen allerdings manchen „Umweg“ in Kauf nehmen und Geduld mitbringen.
Einige, nicht alle beteiligten Internetunternehmen und Anbieter von Informationen und Meinungen, reagieren konstruktiv auf Beanstandungen. Eine große Anzahl von Fällen lassen sich aber meist – auch ohne den geforderten Button – durch konkrete Anschreiben und Richtigstellungen aus der Welt schaffen.
Nur von einer echten Waffengleichheit kann derzeit nicht gesprochen werden und leider zeigt auch ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung zu diesen Fällen der Providerhaftung als auch der veröffentlichten Fachbeiträge eine Tendenz pro Meinungs- und Pressefreiheit – zu Lasten der Betroffenen.
Das sollte überdacht und nachjustiert werden.
Die Anonymität des Internets ist bereits ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil, den die Betroffenen im Wettstreit um Themen, Beiträge und Meinungsäußerungen hinnehmen müssen.
Vorschläge für Regelungen und Lösungen des Problems?
Ich bin zwar nicht persönlich betroffen, teile aber Ihre Meinung, dass das Internet im Wesentlichen als rechtsfreier Raum gesehen wird und die Individualrechte von Betroffenen extrem beinträchtigt oder zerstört werden kann. Das findet kaum Beachtung vor allem, wenn auf der anderen Seite die „heilige“ Pressefreiheit steht. Journalisten und private Blogger genießen besonderen Schutz, da diese Form der Meinungsfreiheit ein Gegengewicht darstellt zum Staat und seinen Institutionen oder Organisationen mit großer politischer oder wirtschaftlicher Macht. Bei dieser Abwägung gerät der einfache Bürger ins Hintertreffen, da er nicht die Instrumente oder Möglichkeiten der Abwehr hat oder sieht. Es verdient daher Ihrer Initiative, zum Schutze von Wahrheit und Gerechtigkeit auch das Internet der verschärften Kontrolle des (deutschen) Strafrechts zu unterstellen und den Vollzug zu intensivieren, damit die Menschen wissen und wieder die Sicherheit gewinnen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.