Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung

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Das Bundesverfassungsgericht hat am 11. März 2008 eine Eilentscheidung zu der umstrittenenen Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Acht Bürger hatten gegen die im Rahmen der Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht ergangenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) Verfassungsbeschwerde erhoben. Anbieter von Telekommunikationsdiensten sind seit dem 1. Januar 2008 verpflichtet, Verkehrs- und Standortdaten, die bei der Nutzung von Telefon und Internet entstehen, für sechs Monate zu speichern. Die Beschwerdeführer sehen in der generellen Speicherung von sehr sensiblen Daten „auf Vorrat“ eine verfassungswidrige Verdächtigung aller Bürger ohne konkreten Tatverdacht.

In dem neuen § 113b TKG ist die Verwendung der gespeicherten Daten geregelt. Diese dürfen zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten, der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und für nachrichtendienstliche Ermittlungen von den Providern herausgegeben werden. Es stellt sich die Frage, ob Filesharing-Sachverhalte unter diese Regelung fallen.

Darf die Musikindustrie die Daten „hinter“ der IP-Adresse erfragen?

Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Eilverfahren festgestellt, dass die gespeicherten Daten nur dann an die Strafverfolgungsbehörden herausgegeben werden dürfen, wenn wegen einer schweren Straftat ermittelt wird und deren Aufklärung ohne die Datenübermittlung wesentlich erschwert oder aussichtlos wäre. Schwere Straftaten in diesem Sinne sind beispielsweise Mord oder Hochverrat. Diese Voraussetzungen liegen bei den sogenannten Filesharing-Fällen, d.h. bei (unzulässiger) Verwertung urheberrechtlicher Dateien wie Musikstücken oder PC-Spielen offensichtlich nicht vor.

Bislang ging die Musikindustrie stets so vor, dass eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Urheberrechtsverstoßes erstattet wurde, wobei Screenshots mit IP-Adressen von angeblich illegal handelnden Tauschbörsen-Nutzern als Beweismittel dienen sollten. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat dann, gestützt auf den Auskunftsanspruch nach § 113 TKG, den Provider aufgefordert, die Daten des hinter der IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers mitzuteilen. Nach Erhalt der höchstpersönlichen Daten im Wege der Akteneinsicht hat die Musikindustrie die Anschlussinhaber mit kostenintensiven Abmahnungen überzogen.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht diesem Vorgehen einen Riegel vorgeschoben. Bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache dürfen die gespeicherten Daten, wie Name und Anschrift des Anschlussinhabers, nur bei Verdacht auf eine schwere Straftat – was Urheberrechtsverletzungen ersichtlich nicht sind – von den Diensteanbietern herausgegeben werden. Wie der Internetdienst heise online am 26. März 2008 berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal bereits auf die Eilentscheidung reagiert und lehnt strafrechtliche Ermittlungen gegen Tauschbörsennutzer nun kategorisch ab.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Grundrechte der Bürger und ist gerade auch als Zeichen gegen die Methoden der Musikindustrie zu befürworten.

2 Kommentare
  1. PR
    PR sagte:

    Wobei fraglich ist, ob dem wirklich so ist, da das BVerfG ausdrücklich gesagt hat, die bisherigen Ermittlungsmethoden blieben erhalten.
    Zudem bezieht sich das Verfahren einzig auf die Vorratsdatenspeicherung. Die Telekom speichert aber offenbar schon seit wesentlich längerer Zeit über einen Zeitraum vom 7 Tagen und ist damit wohl dauerhaft Datenlieferant. Daher glaube ich mittlerweile auch, dass die Entscheidung des BVerfG in der Filesharing-Frage keine Entspannung bringt. Auch scheint die Frage unter den Staatsanwaltschaften noch umstritten zu sein.

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  2. max
    max sagte:

    Ich muss meinem Vorredner zustimmen. Die Daten müssen nun zweifach gespeichert werden: Einmal in herkömmlicher Weise für Abrechnungszwecke (keine sechs Monate, aber immerhin ca. drei) und einmal in der für die Vorratsdatenspeicherung. Auf letztere sollte ursprünglich nur unter den Voraussetzungen des § 100g StPO zugegriffen werden können, was aber gem. dem Beschluss des BVerfG (11. März 2008 – 1 BvR 256/08) eingeschränkt wurde. Demnach sind eben die durch Telekommunikation begangenen Straftaten nicht mehr von der VDS erfasst, sondern nur noch die Straftaten des Katalogs aus § 100a II StPO.
    Der herkömmliche Weg, über die Abrechnungsdaten den Nutzer hinter der IP-Adresse zu erfahren, besteht für die Musikindustrie nach wie vor. Allerdings dürfen solche Daten eigentlich bei keinem Nuter einer Flatrate vorhanden sein (vgl. LG Darmstadt 25 S 118/2005). Theorie und Praxis gehen hier aber leider auseinander.
    Was die Musikindustrie aber weiterhin versucht, ist den Zugriff auf die auf Vorrat gespeicherten Daten zu erlangen, um zivilrechtliche Ansprüche geltend machen zu können. Dafür sieht es aber sehr schlecht aus.

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