Widerrufsbelehrung und unrichtige Musterbelehrung

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Große Hoffnungen setzten Online-Händler auf die gestern verhandelte Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Klärung der Frage, ob die Musterbelehrung über das Widerrufsrecht aus § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV rechtskonform ist und damit gefahrlos benutzt werden kann.

Zu einer Entscheidung kam es jedoch nicht. Denn als der Vorsitzende Richter des Senats, Wolfgang Ball, darauf hinwies, daß die von der Revisionsklägerin verwendete Formulierung Verbraucher benachteilige, nahm diese (es handelte sich um die Bertelsmann-Tochterfirma immediaOne) die Klage zurück, um ein für sie nachteiliges BGH-Urteil zu vermeiden, wie unter focus.de berichtet wird.

Bei spiegel-online findet sich der Hinweis, daß die Musterbelehrung – nach jahrelanger Weigerung des Bundesjustizministeriums – nun doch überarbeitet werden soll. Nach dieser Verhandlung besteht mehr denn je Anlaß dazu, die Überarbeitung schnellst möglich vorzunehmen.

Der BGH wird darauf jedoch nicht warten. Wie ebenfalls in der gestrigen Verhandlung publik wurde, sind weitere Klagen beim BGH anhängig, bei denen es um die Wirksamkeit der Musterbelehrung geht. Sollte die Bundesregierung also die Sache hinauszögern, wird der BGH entscheiden, ob die vom Bundesjustizministerium formulierte Musterbelehrung rechtskonform oder, wie eine Anzahl von Gerichten inzwischen schon geurteilt haben, rechtswidrig ist.

Die Konsequenzen sind vielschichtig.

Ein Onlineshop, der etwa die Musterbelehrung verwendet, und sich im Falle der Inanspruchnahme dahin gehend verteidigt, dass er sich doch an die vom Gesetzgeber selbst vorgegebenen Textmuster halte, trägt dennoch das volle Unterliegensrisiko, einschließlich der Anwalts- und Gerichtskosten. Denn spätestens nachdem erste Gerichte entschieden hatten, dass die Musterbelehrung nicht den fernabsatzrechtlichen Vorgaben entspreche, ist jegliches Vertrauen in dieses Muster zerstört worden.

Den Rechtsirrtum muß der Musterverwender sich anrechnen lassen, auch wenn dies alles andere als gerecht erscheinen mag.

Die Verwender des Musters tragen also weiterhin das uneingeschränkte Risiko, daß sie wegen der Verwendung einer unrichtigen Widerrufsbelehrung von Mitbewerbern oder Verbraucherschützern abgemahnt werden.

Zudem können sich ihre Kunden, die Verbraucher sind, auf verlängerte Widerrufsfristen berufen, da sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ordnungsgemäß belehrt wurden.

Insofern kann derzeit nur angeraten werden, die Widerrufsbelehrungen losgelöst von den Textmustern der BGB-InfoVO zu fassen.

Ob die zwischenzeitlich zutage getretenen finanziellen Nachteile im Wege staatshaftungsrechtlicher Erstattungsforderungen mit Erfolg geltend gemacht werden können, wird sich in Zukunft erst noch zeigen. Die bis dahin bestehende Rechtsunsicherheit geht zu Lasten der Händler.

1 Kommentar

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  1. […] Derzeit wird ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte „welchen Inhalt muss eine zulässige Widerrufsbelehrung enthalten?“ geschrieben, vgl. u.a. unseren Artikel vom 30. Mai 2007 und 27. September 2007. Gegenstand der aktuellen Rechtsdiskussion ist die sog. Wertersatzklausel bei eBay-Shops. Auch in dieser wichtigen Frage stehen sich gegensätzliche Urteile von Landes- und Oberlandesgerichten gegenüber. Von Rechtssicherheit kann keine Rede sein, solange sich nicht der Bundesgerichtshof zu dieser Frage abschließend äußert. […]

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