Irrtum im Onlinehandel – kein Porsche für 5,50 EUR

Das Landgericht Koblenz hatte über eine eBay-Auktion zu entscheiden, mit der ein Käufer für 5,50 EUR einen gut 1 Jahr alten Porsche 911 Carrera erwerben wollte. Zu Vertragsschlußfragen, Irrtum und Anfechtung im Onlinehandel, speziell bei eBay, haben wir bereits wiederholt über Urteile berichtet.

Kauf ja, aber unzulässige Rechtsausübung

Dieser Porsche-Fall knüpft an den Rübenroder-Fall und den Buggy-Fall an.

Das Oberlandesgericht Köln hatte den Kauf einer Landwirtschaftsmaschine für 51,00 EUR im Wert von rund 60.000 EUR für wirksam erachtet – das Oberlandesgericht Oldenburg dagegen den Kauf eines Buggy für 1.000 Pfund statt 15.000 Pfund nicht (vgl. unser Beitrag 2007).

Auch das Landgericht Koblenz hatte über eine erhebliche Wertdifferenz zu entscheiden, denn der Verkäufer ist der Ansicht, dass sein Porsche über 100.000 EUR wert sei, der Käufer selbst veranschlagte den Wert mit 75.000 EUR und forderte daher auch jene Differenz zu seinem „Kaufpreis“ nach Auktionsende von 5,50 EUR als Schadensersatz, da der Verkäufer ihm das Fahrzeug nicht gegen Zahlung von 5,50 EUR übereignen wollte.

Das Gericht wies die Forderung ab – das ist die gute Nachricht für den Verkäufer.

Spannend für alle Beobachter ist jedoch die Frage, ob derselbe Sachverhalt einfach unterschiedlich von verschiedenen Gerichten beurteilt wird. Das würde Rechtsunsicherheit hervorrufen.

Die Antwort lautet – „jein“. In den drei Fällen sind die unterschiedlichen Ergebnisse auf unterschiedliche Rechtsvorschriften gestützt worden.

Einheitlich ist die Argumentation auch im Verhältnis zum Rübenroder- und zum Buggy-Fall, wenn das Gericht ausführt, dass auch bei vorzeitigem Auktionsabbruch gemäß der eBay-AGB, denen sich Verkäufer und Käufer unterworfen haben, ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommt.

Dieser sei zwar grundsätzlich anfechtbar. Darauf stützte das Oberlandesgericht Oldenburg im Buggy-Fall seine Begründung.

Das Landgericht Koblenz erklärte vorliegend jedoch, dass eine solche Anfechtung nicht erklärt worden sei und daher auf jene Weise der Vertrag nicht aus Welt geschaffen worden sei.

Allerdings sprachen sie den geforderten Porsche ebensowenig wie den Schadensersatz zu. Sie schlugen einen anderen Weg ein.

Die Forderungen des Käufers seien nicht durchsetzbar, weil sie gegen Treu und Glauben verstießen.

D.h. ein Gericht könne – ähnlich wie bei der Verjährungseinrede – zwar das Bestehen der Ansprüche feststellen, aber diese seien sodann nicht mehr als durchsetzbar zuzusprechen.

Dabei nahm das Gericht eine Vorschrift zu Hilfe, die im Zivilrecht als allgemeiner „Gummiparagraph“ geführt wird, nämlich den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB. Dabei handelt es sich um eine Generalklausel, die im konkreten Einzelfall mit „Leben“ gefüllt werden muß.

Das haben die Koblenzer Richter dann auch verhältnismäßig ausführlich getan und dargelegt, dass die Rechtsprechung zu § 242 BGB eine Anzahl von Fallgruppen herausgearbeitet habe und hier sei der Fall unzulässiger Rechtsausübung einschlägig.

Der Käufer habe alle wesentlichen Gesichtspunkte einer Übervorteilung des Verkäufers sowie dessen Willen, die Auktion als irgendwie fehlerhaft geartet abbrechen zu wollen, wahrgenommen und könne sich daher nicht auf ein zu schützendes Interesse berufen. Vielmehr müsse er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, zu dem beide Parteien eines Vertrages verpflichtet sind, von der Durchsetzung seiner Schadensersatzforderung Abstand nehmen.

Wie ist das so begründete Ergebnis zu werten?

Ich meine, der Umweg über § 242 BGB ist nicht nötig. Und ich halte es für einen Umweg, § 242 BGB zu bemühen, der meiner Meinung nach nur als ultima ratio zur Korrektur von Vertragsverhältnissen dienen sollte. Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Rechtsprechung sind ein nicht zu unterschätztender wirtschaftlicher Standortfaktor in Deutschland. Daran sollte weitestgehend festgehalten werden.

Es stellt sich aus meiner Sicht vielmehr – allerdings gegen die bislang herrschende Praxis – die Frage, ob immer und ausnahmslos mit der Freischaltung einer „Auktion“ bei eBay aus Verkäufersicht unwiderruflich ein Kaufvertrag in Gang gesetzt werden soll?

Mir kommen da ganz erhebliche Zweifel auf. Für Kleinwaren oder unzweifelhaft in Wert und Funktion bestimmbare Waren mag jener Weg sachgerecht und vertretbar sein.

Aber spätestens bei Großmaschinen oder PKW halte ich das Vorgehen für verfehlt und lebensfremd. Über Plattformen wie eBay sollen Vertragsparteien zusammengebracht werden – das ist die primäre Funktion. Es soll auch ein Grad an Verbindlichkeit erreicht werden. Aber darüberhinaus sollte Berücksichtigung finden, dass es Waren gibt, die immer erst einer Inaugenscheinnahme bedürfen, bevor das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinreichend überprüft worden sind und ein Kauf tatsächlich in Gang gesetzt werden soll.

Die Kehrseite der Medaillie der bislang geübten Praxis ist ja hinlänglich bekannt – „Betrügereien über eBay – Verkauf nicht existierender oder beschädigter Waren“ usw. usf.

Zudem öffnet man Tür und Tor für die Anwendung diverser „Gummiparagraphen“, d.h. Generalklauseln wie § 242 BGB, um mehr oder minder gewünschte oder unerwünschte Ergenbnisse zu korrigieren.

Damit aber schürt man Rechtsunsicherheit und fehlende Planungssicherheit, weil die Anwendung jener Ergebniskorrekturen regelmäßig unvorhersehbar sind und zunehmend von individuellen Wertungen abhängen, die nicht mehr planbar oder transparent sind.

Im vorliegenden Fall ist es meiner Meinung nach gar nicht erst zu einem wirksamen Vertragsschluß gekommen, weil im Zeitpunkt der Annahme durch den Käufer der Widerruf des Angebots bereits auf dem Wege war bzw. über einen derartigen Artikel der Vertragsschluß erst vor Ort zustande kommt.

Darüber darf man natürlich auch geteilter Auffassung sein ….

2 Kommentare
  1. Wilhelm
    Wilhelm sagte:

    5,50 für einen Porsche ? Nicht schlecht Herr Specht aber das wäre dann doch zu schön gewesen…
    tut mir aber eigentlich für den käufer leid, der hat sich bestimmt schon so gefreut…

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  2. oscar
    oscar sagte:

    Naja, ein Spass war es wert aber das kann man sich ja schon selbst denken dass dieser kaufvertrag nicht zu stande kommt. In anderen Ländern wäre das vielleicht anders abgelaufen, würde mich mal interessieren.

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