Widerrufsbelehrung – kein Schutz vor Abmahnungen durch BGB Info-V Muster

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Im Onlinehandel muß der Händler gegenüber Verbrauchern auf das Widerrufsrecht hinweisen. Dies schreiben die Regelungen zum Fernabsatz vor. Dabei ist der Verbraucher über Beginn und Dauer der Widerrufsfrist zu belehren. Die Formulierung dieser Widerrufsbelehrung ist Anlaß für vielfache Abmahnungen und Gerichtsverfahren geworden, obwohl der Gesetzgeber selbst Muster hierfür vorgeschlagen hat (vgl. Muster in der BGB-InfoV).

Ist man mit der Benutzung der Musterbelehrung aus der BGB-Informationspflichten-Verordnung auf der sicheren Seite?

Die Antwort lautet „nein“.

Es ist kaum zu glauben, aber selbst der Gesetzgeber war und ist auch nach Überarbeitung der Musterbelehrung nicht in der Lage, die Regelungen des Verbraucherschutzes für Fernabsatzgeschäfte vollständig bzw. hinreichend verständlich umzusetzen. Denn nach Meinung einiger und zudem bedeutender Gerichte entspricht die unkritische Übernahme der Musterbelehrung, die der Gesetzgeber in die BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) als Hilfestellung aufgenommen hat, nicht den gesetzlichen Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches. Denn das Muster genügt nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB.

Konkret beanstandete das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 15.3.2007, AZ: 4 W 1/07), daß die Muster-Widerrufsbelehrung den Satz enthalte:

„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“

Diese Formulierung sei irreführend und damit wettbewerbswidrig, da der Eindruck erweckt werde, die Widerrufsfrist würde schon mit dem Lesen der Webseite zu laufen beginnen. Dies sei jedoch nach den gesetzlichen Regelungen nicht der Fall. Die Frist beginne nicht vor Zugang der Widerrufsbelehrung in Textform.

Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 05.12.2006, AZ: 5 W 295/06) ist sogar der Auffassung, daß der Wortlaut des Musters

„von vornherein ungeeignet“

sei, wenn gem. § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB vor Vertragsschluss Informationen über ein Widerrufsrecht nicht in Textform mitgeteilt, sondern lediglich in einem Internetauftritt zur Verfügung gestellt werden.

Beide Gerichte kamen zu dem Schluß, daß bereits die bloße Verwendung des Widerrufsmusters aus der BGB-InfoV unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts und insoweit – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – abmahnfähig sei (vgl. unsere FAQ Abmahnung).

Die fehlende Textform führt nach Auffassung des Kammergerichts und einiger weiterer Gerichte auch dazu, daß sich die Widerrufsfrist für über eBay getätigte Geschäfte sich von 2 Wochen auf 1 Monat verlängere.

Das Landgericht Halle hatte im Mai 2005 beanstandet (Urteil vom 13.5.2005, AZ: 1 S 28/05), daß die Musterbelehrung zwar über den frühestmöglichen Beginn des Fristlaufs informiere, den Verbraucher aber darüber im Unklaren lasse, wann die Frist in seinem konkreten Fall – hier: frühestens am Tag nach Erhalt der Widerrufsbelehrung – beginne. Auch dies sei irreführend. Darüber hinaus sei die Anlage 2 zur BGB-InfoV (= Muster Widerrufsbelehrung) nichtig. Denn der Gesetzgeber sei durch die von § 355 BGB abweichende Fassung der Musterwiderrufsbelehrung zum Nachteil des Verbrauchers über seine Regelungsbefugnis aus Art. 245 EGBGB hinausgegangen.

Demgegenüber entschied das Landgericht Münster (Urteil vom 02.08.2006, AZ: 24 O 96/06), die Verwendung des Musters könne nicht beanstandet werden, da es sich auch bei der BGB-InfoV um ein Gesetz handle. Daher sei zur Beurteilung nicht auf die Vorschriften §§ 312d, 355 BGB, sondern auf die BGB-InfoV abzustellen. Dort heißt es nämlich in § 14 Abs. 1:

„Die Belehrung über das Wiederrufsrecht genügt den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird.“

Das ist allerdings ein sehr formaler Standpunkt nach dem Palmström-Motto „… dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Wie bereits oben ausgeführt, vertritt das zuständige Berufungsgericht, das OLG Hamm, die gegenteilige, nämlich die inhaltliche Überprüfung einbeziehende Auffassung.

Die Erkenntnis?

Der Unternehmer darf sich nicht auf den Gesetzgeber verlassen. Die unkritische Übernahme der Musterbelehrung schützt nicht vor rechtlicher Inanspruchnahme. Trotz Verwendung eines vom Gesetzgeber selbst bereitgestellten Musters ist die Widerrufsbelehrung als falsch beurteilt worden und deren Verwendung kann als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht kostenpflichtig abgemahnt werden (vgl. FAQ Abmahnung). Dies geschieht bekanntlich auch in erheblichem Umfange.

Es hilft nichts – die Belehrung, die Verwendung finden soll, muß an die eigenen Bedürfnisse des Shops angepaßt werden. Der Bestellvorgang, die Abfolge der Informationen und Belehrungen sowie die Art und Weise der Informationsüberlassung müssen dabei berücksichtigt werden. Andernfalls drohen Abmahnungen, selbst wenn das vom Gesetzgeber vorgegebene Muster verwendet wird.

Der Offenbarungseid?

Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts dieses Sachverhalts übrigens nicht. Auf Vorhalt antwortete sie im Rahmen einer Anfrage (BT-Drs. 16/3595 – Download PDF) sinngemäß, keine Änderung der Belehrung veranlassen zu müssen, sondern darauf zu vertrauen, eine Klärung der Rechtslage durch den Bundesgerichtshof abzuwarten.

Bis dahin stehen die Unternehmer allein im Sturm der Verantwortung.

Was sagt man dazu? Wenn Sie Vorschläge für eine Formulierung haben – schreiben Sie uns!

3 Kommentare

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  1. […] Der BGH wird darauf jedoch nicht warten. Wie ebenfalls in der gestrigen Verhandlung publik wurde, sind weitere Klagen beim BGH anhängig, bei denen es um die Wirksamkeit der Musterbelehrung geht. Sollte die Bundesregierung also die Sache hinauszögern, wird der BGH entscheiden, ob die vom Bundesjustizministerium formulierte Musterbelehrung rechtskonform oder, wie eine Anzahl von Gerichten inzwischen schon geurteilt haben, rechtswidrig ist. […]

  2. […] Die Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ist widersprüchlich – wir berichteten. Hoffnung, dass die Lage geklärt wird kam auf, als der Bundesgerichtshof (BGH) im April eine Pressemitteilung herausgab, nach der in einem Urteil vom 12. April 2007 der BGH die Verwendung der Musterbelehrung der BGBInfoV gestärkt habe (vgl. unseren Artikel “Update I Widerrufsbelehrung – BGH zum Muster der BGBInfoV“). Seit wenigen Tagen liegen die Urteilsgründe nun vor – sie bestätigen die Pressemitteilung nicht in vollem Umfang. […]

  3. […] Das Verwenden der Musterwiderrufsbelehrung nach BGB-InfoV ist nicht ungefährlich. Die Rechtsprechung ist unübersichtlich, teils wird der gleiche Sachverhalt gegenteilig bewertet – wir berichteten. Über eine weitere Facette zum Thema Widerrufsbelehrung hatte nun der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden. […]

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